

Ulla Henke
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Über mich
Sommer 1987. Ein Jahr nach meinem Abitur kam der große Tag der Aufnahmeprüfung. Ich wollte unbedingt Logopädin werden. Mein Freund und ich fuhren zum ersten Mal die 670 Kilometer gemeinsam nach Bayern. Meine Nervosität stieg, doch in dem Moment, als ich in das riesige Treppenhaus der HNO-Klinik blickte, war ich voller Zuversicht. Ich wollte die Welt erobern, nun ja, zunächst einmal München.
Doch als die Bewerberin, die vor mir zum Psychologen geschickt worden war, mir entgegenkam und ins Ohr flüsterte: „Du musst deine positiven und negativen Eigenschaften aufzählen!“, schwand meine Energie. Ich kannte keine negativen Seiten von mir – und auch keine vom Leben. Bis zu diesem Tag war alles in sanften Bahnen gelaufen. Also improvisierte ich, redete ohne Punkt und Komma und erfand Geschichten. Ich wurde angenommen.
Die ersten Berufsjahre verstrichen und trotz des interessanten Berufes, begann ich mich zu langweilen. Ich wollte kein Standard-Leben. Es musste zwar kein wirkliches Abenteuer sein, aber ein Jahr Neuseeland dann eben schon. Doch die Realität entwickelte sich anders: Aus einem Jahr wurden sechs Wochen, aus meiner langjährigen Beziehung eine Trennung. Mit dem neuen Mann kam dann doch ein Hauch von Abenteuer auf, gekoppelt mit unendlich viel harter Arbeit.
Zunächst arbeitete ich als Logopädin weiter, doch nachdem ich während einer Therapie fast eingeschlafen war (ich hatte die Nacht zuvor als Assistentin meines Mannes fast durchgearbeitet), beendete ich meine logopädische Karriere und stieg völlig in die Arbeitswelt meines Mannes ein. Alles war neu und aufregend. Musik, Kunden, Rechnungen. Nachts um 2:00 Uhr, nach Justus Frantz Open-Air-Konzerten, noch Kabel aufzurollen, war dann schon weniger spannend. Aber es gab auch unvergessliche Momente: Nach einer Generalprobe der Bochumer Symphoniker nahm ich meinen ganzen Mut zusammen und sprach Steve Reich an: „Your music makes me feel like flying“, worauf er erwiderte: „I only came to Europe to hear that phrase“! Ich wusch mir eine Woche lang meine Ohren nicht.
Die Firma wuchs, die Arbeit veränderte sich, aber sie hörte nie auf. Es zehrte an meinen Kräften. Doch ich hielt durch, wir kämpften uns durch schlechte und gute Zeiten. Nach vielen Jahren konnten wir uns dann endlich ein privates Leben leisten: Wir bekamen zwei Söhne und versuchten, alles unter einen Hut zu bekommen. Ich arbeitete im Büro und als Mutter.
Dreißig Jahre später hätte ich die Frage des Psychologen nun besser beantworten können. Ich kannte meine Schwächen und die Schwierigkeiten, mit Ihnen umzugehen. Doch erst seit paar Jahren weiß ich, dass negative Seiten gar nicht existieren. Es gibt mich mit verschiedenen Anteilen. Eine bunte Mischung von wichtigen und unwichtigen, hilfreichen und hinderlichen Aspekten meiner selbst. Diese zu akzeptieren ist meine Lebensaufgabe.
Beruflich möchte ich mich am liebsten nur noch mit dem beschäftigen, was mir Freude bereitet und mich bereichert: Mit Menschen in Beziehung zu sein. Ihnen urteilsfrei zu begegnen und ihre Geschichten aufzuschreiben. Das ist für mich ein Geschenk.